The Pamphlet Collection of Sir Robert Stout: Volume 22

[introduction / Einführung]

Im Frühling 1886 bot mir Herr Professor Dr. Möbius, damals Director des zoologischen Instituts der Universität zu Kiel (jetzt in gleicher Eigenschaft in Berlin) an, die grossen Schätze von Vogelbälgen zu bestimmen, welche seit den 40er Jahren in der Sammlung des genannten Instituts liegen. Durch andere Arbeiten in Anspruch genommen, begann ich erst im Winter mit meiner Aufgabe, mich durch einen Stock von ungefähr 10 000 Bälgen zu kämpfen, bestimmend, ordnend und eine beschreibende Bearbeitung einleitend. Die von mir bestimmten Gruppen sandte ich Autoritäten zu definitiver Identification mittelst sicheren Vergleichsmaterials, das mir in Kiel völlig fehlte. So sah Henry S e e b o h m in London die Turdiden, Prof. Dr. "Wilhelm Blasius in Braunschweig die Corviden und Icteriden, Dr. Gustav Hartlaub in Bremen die mir zweifelhaft gebliebenen Papageien durch. Zu meiner Freude wurden durchschnittlich Uber 95 Procent meiner Determinationen von den genannten Ornithologen anerkannt. Eine zusammenhängende grössere Publication kann in den nächsten Jahren noch nicht hergestellt werden, daher folge ich dem Rathe meiner Freunde, die gefundenen neuen Arten und Unterarten vorläufig bekannt zu machen, zumal viele Dutzend Nova veröffentlicht sind, zu welchen die Typen im Kieler Museum liegen könnten, nämlich wenn sie ihrerzeit be- schrieben wären. So ist es thatsäehlich wahr, was Seebohm über diese Sammlung schrieb: it has been buried for forty years! Da die Versendung der Suiten gewisse Unannehmlichkeiten im Gefolge hat, war es mir doppelt angenehm, dass auf meine Bitte mein Freund und Gönner Hans Freiherr von Berlepsch aus Hann-Münden sich entschloss, den Rest der von mir bestimmten Familien (Timeliden zum Theil, Tauben, Muscicapiden etc.) persönlich durchzugehen, und zu diesem Zwecke, sowie um mir die Colibris zu bestimmen, für 14 Tage nach Kiel zu mir kam. Nachher hat er meine Nova mit Stücken seiner reichen Sammlung verglichen und ihre Speciesdignität somit in besonders werthvoller Weise sanctionirt. Ihm, sowie den anderen namhaft gemachten Ornithologen, welche meine Arbeiten in liebenswürdigster Weise unterstützten, ferner Herrn Professor Dr. Möbius, der mir zuerst das Material anvertraute, und Herrn Professor Dr. B r an d t, Director des Zoologischen Instituts der Universität zu Kiel, welcher mir die Fortsetzung meiner Arbeiten zugesichert, bin ich zu grossem Danke verpflichtet und möchte diese Gelegenheit benutzen, um ihn auszudrücken! —

Was nun die Sammlung selber betrifft, so besteht sie zum grössten Theile aus dem Material, welches der verstorbene Professor Dr. Belm aus Kiel auf der Weltumsegelungsreise der dänischen Corvette „ Galathea“ in den Jahren 1845—47 und weiter auf seiner Landreise quer durch Südamerika Anno 1847/48 gesammelt hat. Gleich an Bord wurden die Bälge in vorzüglich schliessende Mahagonischränke verpackt, in denen sie noch heute ruhen — ein Umstand, dem die durchweg gute Erhaltung der Vögel zu danken ist. Professor Belm nummerirte die gesammelten Objekte und führte einen mit jenen Nummern correspondirenden Blätterkatalog, in welchen er Maasse, Beschreibungen, biologische Beobachtungen u. s. w. eintrug. Leider sind weder alle Exemplare, welche zu den Nummern seiner Notizen gehören, noch alle Blätter seiner Notizen, welche zu den vorhandenen Bälgen gehören sollten, verhanden. Alles irgend Wissenswerthe aus seinem Journal werde ich später, wenn ich, mit den Bestimmungen fertig, das gesammte Material bearbeite, publiciren. Ueber die wissenschaftlichen Ergebnisse der Expedition ist m. W. nichts gedruckt; eine Reisebeschreibung * in dänischer Sprache (und übersetzt ins Deutsche) darf keinen Anspruch auf

* Steen Bille, Beretning om Corvetten Galatliea's Reise omkring Jorden Kjöbenhavn 1849—51.

Wissenschaftlichkeit erheben; es werden darin vorwiegendmercantile Interessen berücksichtigt. Der für uns wichtige Theil des Itinerars geht natürlich nur soweit, bis Belm in Südamerika an Land ging. Von da ab fehlt mir vorläufig jede Kenntniss sener Route, doch hoffe ich, im Laufe der Zeit durch die Wittwe Seine Briefe etc. zu erhalten, um das Nothwendigste über seinen Weg festzustellen. Unter solchen Umständen machte es bei den Bestimmungs-arbeiten oft grosse Schwierigkeiten, das Habitat der Exemplare zu eruiren, da auf den Etiketten sehr oft Eingeborenen-Farnen angegeben waren, die kein geographisches Lexicon aufwies.

Unter den Drosseln fand ich eine neue Art, welche HSeebohm auf seinen Wunsch in den Proceedings * der Zoologiscien Gesellschaft in London beschrieb. In dem kleinen Aufsatz, velcher von meiner Merula subalaris Lev. handelt, sind ein paar störende Druckfehler untergelaufen, welche ich hier verbessern möchtc Zeile 12 v. o. muss es statt 10 th of August, 8 th of October, Zeile 14 v. o. muss es statt 11 th of July, 7 th of November, Zeile 16 v. o. muss es statt 9 th of July, 7 th of September, und daher auch Zeile 8 v. o. nicht July and August, sondern October and November heissen.

Eine exquisite Tafel der neuen Merula ist in Royal-Quarto von Keulemans in London hergestellt, welche in Seebohm's grossem Drosselwerke erscheinen wird. — Wohl infolge eines Missverständnisses ist in einer kurzen Notiz über die englische Publication von Prof. Dr. Cabanis im Journal für Ornithologie ** bemerkt, See-bohm hätte die neue Form in Kiel gesehen; vielmehr konnte ich den Balg, welcher keine andere Bezeichnung auf der Orginaletikette trug, als die des Datums und Fundorts, nicht unter den bekannten Drosselarten unterbringen, sandte ihn nach London und bezeichnete ihn dem bekannten Ornithologen und ersten Drosselkenner Henry Seebohm als vermuthlich neu. Wenn das fragliche Stück in Berlin „zur Bestimmung“ gewesen ist, so ist es jedenfalls seinerzeit unbezeichnet *** zurückgekommen, während einige Dutzend andere Bälge auf ihren Etiketten Aufschriften in Prof. Cabanis' Zügen tragen.

* 1887 No. XXVII, June 23, 1887 p. 557.

** XXXVI. Jahrg. No. 181. Januar 1888 p. 113.

*** Der Grund, wesshalb diese Art, obgleich als neu erkannt, damals nicht annectirt wurde, ist ja in der vorstehend angezogenen Journal-Stelle deutlich angegeben. Der Herausgeber.