The Pamphlet Collection of Sir Robert Stout: Volume 22

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In Zürich war gerade eine Vogelausstellung des „Ornithologischen Vereins“ jener Stadt. Wegen knapper Zeit verzichtete ich auf einen Besuch des hühnerologischen Teils und sah nur die ‚Singvögel‘ an. Grosse Seltenheiten und Specifica der alpinen Ornis waren nicht vertreten. — Eine Menge Kanarienbastarde, besonders vom Stieglitz, fielen mir auf. — Unter der aufgestellten Litteratur war an wissenschaftlichen Werken nur Schinz zu sehen neben einer erdrückenden Menge piepmatzologischer Bücher. Das Vogelbild des Deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt hing in einer nicht sehr hellen Ecke. — Eine kleine unbedeutende Sammlung der gewöhnlichsten mitteleuropäischen Eier, unter welchen die auch nur annähernd seltenen Schweizer Arten durch ihre Abwesenheit glänzten, war mit der grossen silbernen Medaille gekrönt!

Anderen Tags in der Frühe ging ich zur zoologischen Sammlung des eidgenössischen Polytechnikums, woselbst mich der Direktor desselben, Herr Professor Dr. Moesch, sehr freundlich empfing. Das ornithologisclie Museum besteht aus meist sehr gut ausgestopften, aufgestellten Vögeln; Bälge werden nicht gesammelt Die Betrachtung der Sammlung ist durch gute Beleuchtung und vorteilhafte Aufstellung sehr angenehm erleichtert. Herr Professor Moesch, bekannt als Verfasser einer Avifauna der Schweiz *), hat auf eine sehr schöne complete Schweizer Lokalsammlung besonderen Wert gelegt. Die Fundamente zu einer solchen waren seit Gessner's Zeiten gelegt, und auf ihnen besonders von Schinz weitergebaut.

Drei herrliche Schweizer Lämmergeier (Gyp. barbatus) aus den Jahren 1829, 1858 und 1859 bilden den Stolz der Raubvogelkollektion **). Das letzte Exemplar des Schweizer Lämmergeier wurde im Jahre 1881 in den Walliser Alpen vergiftet und in sehr desolatem Zustande dem Präparator Stauffer in Luzern abgeliefert. Ausgestopft steht es jetzt im Museum zu Lausanne; es war ein Weibchen und seit 18 Jahren einem tüchtigen Kenner der Natur dortiger Gegend bekannt. Wahrscheinlich hat es die gesamte Zeit ein vereinsamtes Leben geführt, da das letztbekannte Männchen schon vor 20 Jahren umgekommen ist. — Aus einem der Magen der drei aufgestellten Bartgeier wurden grosse Rinderknochen, Stücke eines Gamskrickels, Auerhahnknochen, Fellreste etc. geholt, die jetzt im Museo aufbewahrt werden. — Ein Exemplar des Schlangenadlers (Circ. gcillicus) aus der Brutzeit, ein Junger, Anfang Oktober 1878 bei Zernetz erlegt, wie auch andere Beweise ergeben, dass derselbe stellenweise in den Schweizer Alpen, so im Kanton Graubünden bei Chur, seinen Horst baut. — Ein auffallender Flussadler (?Panäion haliaetus) aus der Schweiz ist aus Schinz' Zeiten im Museo. Die bräunlich gesprenkelten Hosen, sehr kleine Fänge, ein gestauchter Schnabel, ein schmalgebänderter

* Das Tierreich der Schweiz. In: Allgemeine Beschreibung' und Statistik der Schweiz. Brugg. 1869. (Vögel im Sep. - Abdr. S. 163—171.) Siehe auch ebendaselbst Artikel „Die Jagd“ 1870. Sep.-Abdr. 16 pp. von demselben Autor.

** Sie sind in der ausgezeichneten Monographie Dr. Girtanners angeführt. (Beitr. zu Nat.-Gesch. des Bartgeiers der Zentralalpenkette Gvp. alpinus. In: Verh. d. St Galler naturwiss. Ges. 1869/70 Sep.-Abdr. S. 64.) Der dort citierte Naturforscher Pfarrer Sprüngli zu Stedtlen lieferte eine genaue Beschreibung des Alpcnbartgeiers, begleitet von zwei recht guten Kupferstichen, Fang und Kopf darstellend, für das sonst wenig Ornithologisches enthaltende Werk: Andrea, Briefe aus der Schweiz nach Hannover geschrieben in dem Jahre 1763. Zweiter Abdruck, Zürich und Winterthur 1776 S. 195 .ff. tab. 12 a. 12 b. Da das Buch, in welchem nur ab und zu etwas über Vögel mitgeteilt wird — so S. 186 ff. über Spriingli's Sammlung, S. 59 über die inzwischen zu Grunde gegangene Sehnithess 'sche Sammlung in Zürich, S. 202 die erste sichere wissenschaftliche Beschreibung von Acc. alpinuts mit guter Abbildung — in ornithologischen Werken über Schweizer Vögel nirgends citiert wird, glauben wir bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen zu dürfen. — Theobald fand den Bartgeier 1862 „noch da und dort im Kngadin horstend“ (Naturbilder aus den Khätischen Alpen. 2. Aufl. Chur 1862 S. 151). Auch in diesem, sonst nicht ornithologischen, „Führer durch Graubünden“ finden sich ab und zu Mitteilungen über Vögel, auf eigener Beobachtung beruhend. (S. 48. 174. 313.) Lev.

Schwanz machen die Spezieszugehörigkeit zu P. haliaetus typicus sehr unwahrscheinlich. — Der sehr seltene Micrastur mir andollei Schleg. ist in einem schönen Exemplar vertreten. — Von Bubo maximus, welcher bei Zürich nicht selten vorkommt, findet sich eine schöne Suite. — Strix acadica wurde bei Beatenberg am Thunersee im Oktober 1870 geschossen. — Strix Tengmalmi in dem sehr kalten Dezember 1879 in Enge verhungert gefunden. Circus eineraceus Ende November 1878 bei Altstätten, ein zweites Exemplar Mitte Dezember 1878 bei Eglisau, beides Männchen, erlegt Buteo lag opus, eine für die Schweiz seltene Erscheinung (welche im Museo fehlt), wurde im Dezember 1879 bei Hombrechtlikon geschossen. — Tichodroma muraria beobachtete Herr Professor Moeseh, dein ich vorstehende Notizen verdanke, im September 187? an den Felsenwänden über der alten Strasse bei Trübbach im Rheinthal kletternd. Am 4. März 1879 nach einem sehr strengen Winter liefen an den Mauern der polytechnischen Hochschule zu Zürich einige umher. — Eine echte Bud. Rayi *) mit der Heimatsangabe ‚Zürich‘ war unter fiavus subsummiert. Zu besonderer Freude sah ich hier das zweite bekannte Exemplar von der Philippinischen Hypothymis (Cyanomyias) coelestis Sharpe, wundervoll erhalten, welches Sharpe selbst bestätigt hat (cf. Proc. Zool. Soc. Lond. Sitzungsbericht vorn 4. April 1882). —

Ein Nest von Nuc. caryocatactes mit sehr kurzdickschnäbeligen Nestjungen (nicht: Dunenjungen) stammt vom ersten Entdecker dieser nidologischen Rarität, dem weil. Vogel aus Zürich Daneben standen zwei echte Schweizer Alte, ein ganz typischer lepto-und ein ebenso veritabler pachyrhynchus, ein Umstand, auf den wir später bei eingehender Betrachtung der Tannenhäherfrage zurückkommen werden. — Bombycilla garrula kam in grossen Mengen 1887/1888 in die Gegend um Zürich; einige mussten für's Museum ihr Leben lassen. — Tetrao medius kommt nicht selten in den Alpen vor; zwei Männchen vom Gotthard sind in der Sammlung. — Otis houbara wurde am 20. Mai 1839 bei Metmenstätten im Kanton Zürich, Otis maqueeni **) am 18. November 1840 bei Rapperswyl geschossen — beide Exemplare stehen in der Züricher Sammlung.

Von Grus cinereus ist ausser dem von Herrn Professor Moesch schon angeführten Exemplar (8. April 1858 bei Wetznikon

* Interessant für die vertikale Verbreitung dieser Art ist, dass Dr. Radde Ende Juni 1885 bei der Besteigung des Schahdagh in einer Höhe von über 3000 Meter ein Exemplar (♂) antraf. (Ornis III. S. 485.)

** Danach zu ändern in Moesch, Tierwelt der Schweiz l, c. S. 168, we auch sub houbara angeführt. Lev.

im Usterthal) ein zweites von dem Jahre 1825 aus der Gegend um Zürich aufgestellt. — Ciconia nigra wurde 1850 bei Altstetten, Kanton Zürich, geschossen. —

Die folgenden Notizen gestattete mir Herr Professor Moesch seinem Manualexemplare seiner Avifauna der Schweiz zu entnehmen; sie werden in dem bald zu erwartenden zweiten Teile des grossen Fatio'schen Werkes (Wirbeltiere der Schweiz) verwerthet werden.

" Oedicnemus crepitans wurde 1868 und 1809 bei Seihofen im Kanton Bern geschossen;

Ardea purpurea im November 1870 bei Aarau und am 26. Mai 1877 ein zweijähriges ♂ bei Illnau im Kanton Zürich erlegt.

Ardea nycticorax. In einem Zeitraum von zwanzig Jahren wurden dem Präparator Widmer in Zürich nur zwei Stück eingeliefert; das erste etwa 1850, das zweite, ein ♂, am 15. April 1870, von Maschwanden im Kanton Zürich auf dem Zuge geschossen.

Limosa melanura am 5. August? bei Wald im Kanton Zürich geschossen. Ob der Vogel dort gebrütet hat? Das Exemplar war jung.

Numenius tenuirostris im September 1878 bei Uster, ein zweiter bei Konstanz zur selben Zeit geschossen.

Phoenicopterus antiquorum 1864 auf dem Aargrien (Inseli) bei Bern gesehen; 1809 auf der Au bei Hunzikon bei Bern gesehen.

Podicipes suberistatus Anfang Dezember 1878 bei Stäfa am Zürichersee geschossen." —

Ein Phalaropus hyperboreus wurde im Oktober 1854 bei Schwyz erlegt. — Mach, pugnax ist in einer grossen Serie vertreten; doch kommt er jetzt viel sparsamer als in früheren Jahren an den Zürichersee. Was mag die Ursache sein? — Laras vidi-bundus war zu Schinz' Zeiten noch kein Züricher Brutvogel; jetzt brütet sie am oberen Teil des Sees. Die Einwanderung knüpft sich an die künstliche Schwanenzucht, welche seit 14 Jahren von Zürichern zur Belebung des Sees unterhalten wird. Im Winter fressen die Möven von den Tischen ihrer grossen Verwandten und fangen begierig die Brocken, welche ihnen von den Brücken und vom Ufer aus zugeworfen werden. Leider werden die Schwäne abgeschafft werden, da unverständige Fischer Klage erhoben ob des ihnen vermeintlich durch die Schwäne zugefügten Schadens. Es wird von Interesse sein, zu konstatieren, ob die Möven sich trotzdem halten werden. Sterna hirundo dagegen brütet schon lange auf den Inseln am Bielersee und Katzensee — nach Angabe von Herrn Professor Moesch. St minuta kommt sehr oft vor. Carbo pygmaens ist am 25. Oktober 1850 bei Dietekon bei Zürich geschossen — eine Art, welche im Moesch'schen Verzeichnis noch nicht angeführt ist. — Sehr reich ist die Sammlung Madagaskar-Vögel, mehr als 70 Arten! Auch sämtliche madagassische seltene Säuger finden sich mit alleiniger Ausnahme von Cryptoprocta ferox; wir nennen nur: Galiclia elegant, olivacea, concolor, I iverra Schlegelii, Fossad'Aubentoni; die gesamten Halbaffen Madagaskars etc. Einen „kurzen Bericht über die zoologische Sammlung in Zürich“ gab Oberstudienrat Professor Dr. von Krauss *), in welchem auch der ornithologischen Sammlung gedacht ist. — Auch an dieser Stelle möchte ich Herrn Professor Dr. Moesch für sein äusserst freundliches Entgegenkommen nieinen verbindlichsten Dank aussprechen.—

* In: Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg'. 40. Jahrgang 1884. S. 303—305.